Am Donnerstag holt mich ein Großraumtaxi in Bandung ab und bringt mich in einer ca. siebenstündigen Fahrt nach Pangandaran in Südzentraljava. An Bord treffe ich Christine aus München, die fünf Wochen durch Malaysia und Indonesien reist, sowie ein sehr junges, sehr verliebtes, auf der Rückbank knutschendes norwegisch-thailändisches Pärchen.
In Pangandaran wohne ich im „Komodo Islands Hotel“, einem Hostel, das mir die Bandung-Jungs empfohlen haben, weil wahrscheinlich irgendjemandes Schwippschwager dort arbeitet. Umin ist schon da, weil er mit dem public transport fahren musste: Das Großraumtaxi-Unternehmen hatte uns gesagt, für ihn sei kein Platz mehr, was definitiv nicht stimmte. Ich weiß nicht, ob sie aus Prinzip keine Einheimischen mitnehmen wollen oder ob es ein Irrtum war… Aber egal, jetzt sind wir am Meer! Im Bamboo Café treffen wir Sambas, einen 42jährigen Bekannten von Umin, der sich auch als Gelegenheitsguide verdingt. Umin hat ihn als Ojek-Fahrer für Christine gebucht, außerdem ist er aus dem Ort und kennt sich am besten aus.
Nachts werde ich vom Regen wach, es trommelt aufs Dach und auch am nächsten Morgen ist keine Besserung in Sicht. Wir wollten zum Green Canyon, das knicken wir. Christine und ich schauen uns den Strand an und sehen den Fischern zu, die mit vereinten Kräften ein großes Netz einholen. Sechs- bis siebenmal am Tag fahren sie mit dem Boot raus, werfen das Netz aus und holen es vom Strand aus wieder rein, erklärt uns einer von ihnen. Sie haben Rochen gefangen und die Kinder sind ganz aufgeregt.
Nachmittags hellt sich der Himmel auf. Wir fahren ins Green Valley, ein kleines Naturschutzgebiet mit Teakbäumen, Fluß und Felsgrotte. Danach stoppen wir am Batu Hiu Aussichtspunkt, von wo man einen guten Überblick über die Bucht hat. Auf dem Rückweg statten wir der Meeresschildkrötenaufzuchtstation einen Besuch ab. Junge Meeresschildkröten werden hier gehätschelt, bis sie groß genug sind, es mit dem Meer aufnehmen zu können. Seit einem Tsunami im Jahr 2006 hat sich ihr Bestand erheblich verringert in der Gegend, deshalb ist die Turtle Conservation eine gute Sache.
Der Tsunami 2006 hat Pangandaran kalt erwischt. 700 Menschen sind ums Leben gekommen. „Ich habe am Strand mit Freunden Fußball gespielt, als sich das Meer zurückgezogen hat“, erzählt uns Sambas. „Wir sind zurück auf die Promenade, haben aber schnell gesehen, dass wir besser wegrennen. Wir sind raus aus dem Ort, alle, die konnten, haben sich in ihre Autos oder auf ihre Mopeds gesetzt und sind ins Landesinnere gefahren. Ein Freund von mir ist auf die Palme neben dem Bamboo Café geklettert. Dann kam die Welle. Nach einer halben Stunde war alles vorbei, der halbe Ort war zerstört.“ Noch heute kann man einige Tsunami-Ruinen in Pangandaran sehen.
Beim Essen treffen wir zwei deutsche Jungs, Alex und Marcel, die dieses Jahr Abi gemacht haben und jetzt zwei Monate reisen. Sie wollten in Thailand anfangen, haben aber wegen der Überschwemmungen dort kurzfristig auf Indonesien umgebucht. Sie sind noch etwas verloren, waren zuerst auf Bali und finden bisher alles viel zu touristisch. Ich empfehle ihnen, mit Umin nach Bandung zu fahren und die Vulkantour mit ihm zu machen. Abends entscheiden sie sich dafür. So hat sich die Tour für Umin doppelt gelohnt, und drei Tage später mailt er mir, dass sie ganz happy waren: Sie konnten bei seiner Familie übernachten und von dort aus direkt zum Papandayan. Danach hat er mit ihnen die Schule in Garut besucht und sie durften dort mit den Kindern im Unterricht sitzen. So haben sie doch ein bisschen von „real Indonesia“ mitbekommen.
Christine und ich fahren mit dem Zug weiter nach Yogyakarta. Fünf Stunden Fahrt, und ununterbrochen gehen Essensverkäufer durch die Waggons, balancieren Gemüse auf dem Kopf oder haben kleine Bauchläden. Sie rufen „Nasi Nasi Nasi“ oder „Makan makan makan“, ein regelrechter Singsang, der mich langsam in den Schlaf hypnotisiert. In Yogya holt uns Jarwo, ein Rezeptionist aus dem Hotel Wisma Ananda, am Bahnhof ab. Sambas aus Pangandaran hat das für uns arrangiert. Jarwo hat ein Schild, auf dem groß „Julian Kristin“ steht, er ist wohl eher von einem Paar ausgegangen.
Es ist nicht weit zu dem kleinen Hotel, das ruhig in einer Seitenstraße ganz nah bei Taman Sari, den ehemaligen Harems- und Lustgärten und dem Sultanspalast, dem Kraton, liegt.
Am nächsten Tag fahren wir zusammen mit Margaretha, einer Indonesierin aus Jakarta auf Wochenendtrip, zum Borobudur. Dieser Tempel ist eines der größten buddhistischen Heiligtümer und stammt, wenn ich richtig liege, aus dem 8. Jahrhundert. Circa tausend Jahre lang war er in Vergessenheit geraten und völlig überwuchert, bis er im 19. Jahrhundert von den Engländern wiederentdeckt und nach und nach freigelegt wurde. Die Restaurierung ist noch immer nicht abgeschlossen; der Borobudur ist Unesco-Kulturerbe und steht unter besonderem Schutz.
Noch auf der Fahrt fängt es heftig an zu regnen, und wir erkunden die Tempelanlage mit Schirmen. Margaretha will eine Million Fotos mit uns schießen, so dass ich mich ab und an mal um die Ecke verdrücke, um wenigstens den Hauch einer meditativen Atmosphäre zu spüren… ist schon beeindruckend, die unzähligen Reliefs und die Genauigkeit, mit der dieses riesige Monument aus Stein erbaut wurde vor so langer Zeit. Im Wolkenmeer und kurz vor Sonnenuntergang herrscht eine mystische Stimmung hier.
Spätabends springe ich nochmal in den Pool und sitze auf der ruhigen Veranda. Schon leicht schläfrig, will ich mir irgendwann die Zähne putzen – und bin schlagartig wieder hellwach, den in meinem Waschbecken hat es sich eine Riesenkakerlake gemütlich gemacht. Igiiiiiit!!!! Bisher bin ich drum herum gekommen auf dieser Reise, aber irgendwann musste mir ja das erste dieser Ekelviecher begegnen. Wenn es was gibt, bei dem sich mir alle Haare sträuben, dann sind es Kakerlaken. Und dieses Exemplar ist ein Monster, bestimmt acht Zentimeter lang und mit langen Fühlern. Ich gehe wohl oder übel ungewaschen schlafen. Am nächsten Morgen ist sie unsichtbar – hoffentlich durch irgendeinen Abfluss verschwunden. Ich stopfe alles mit Klopapier zu in der Annahme, ihr damit den Zutritt zu meinem Bad zu verwehren…