25.10.2011: Mit einem Fuß im Vulkan. Julia auf dem Kawah Papandayan (und in Cipanas)

Nach Rührei auf Toast um halb acht machen Umin und ich uns auf gen Garut. Umin  arbeitet im Hostel und ist für heute mein Guide. Da ich außer einem älteren Franzosen, der auf den Spuren seiner Vergangenheit ist, momentan der einzige Tourist im Hostel bin, lohnt es sich nicht, ein Auto zu mieten – wir fahren mit dem „public transport“, also mit einem der unzähligen Minibusse. Zuerst zum Busbahnhof, dann weiter nach Garut.

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Die Fahrt ist interessant, weil Umin ein netter Typ ist und ich ihn interviewen kann: Er sieht aus wie 20, ist aber 30. Er ist Sundanese, spricht also als erste Sprache Sundanesisch und hat Bahasa Indonesia, die Amtssprache, in der Schule gelernt. Sein Englisch ist sehr gut dafür, dass er es mehr oder weniger nur von Touristen kopiert hat.

Seine Familie lebt in der Nähe von Garut, aber seit einiger Zeit jobbt er im Hostel „By Moritz“, in dem ich nächtige. Er sieht es als Übergangsjob, aber es scheint nicht so leicht zu sein, einen „richtigen“ Job zu finden in Indonesien. Umin hat nicht studiert, dafür hatten die Eltern kein Geld. Er hat mehrere Halbgeschwister, da es für beide Eltern die zweite Ehe ist und jeder von ihnen Kinder mitgebracht hat. Umin ist der jüngste Sohn. Er ist Moslem, aber kein strenggläubiger. Ich frage ihn, ob er heute morgen, als der Muezzin gerufen hat (was ich so gegen vier Uhr im Halbschlaf gehört habe), gebetet hat. „I rather enjoy life“, hat er gesagt, „see you later, god“. Umin trinkt auch Arrak (Reisschnaps) und Bier, und er ist passionierter Raucher. Genau so die anderen Jungs im Hostel (es gibt dort nur männliche Angestellte). Von daher ist das mit dem Glauben auch hier wirklich Auslegungssache…

Von Garut fahren wir in ein Dorf, von wo aus es nur mit dem Ojek weitergeht – also per Moped. Eigentlich wollte ich nicht mehr Moped fahren in Indonesien, seit ich mich vor drei Jahren mal  am Auspuff verbrannt habe (Narbe noch heute zu besichtigen!). Aber ich möchte wirklich gern diesen Vulkan besteigen. Also fasse ich mir ein Herz und klettere hinter meinen Fahrer. „Hati-Hati“, Vorsicht, und schon geht es los. Die Fahrt macht total Spaß. Wir sind schon auf ca. 2000 m und die Luft ist frisch. Die Umgebung von Garut ist von Vulkanen umgeben, auf der Straße schlängeln wir uns an stolzen Hähnen, leicht orientierungslosen Entenküken und winkenden Schulkindern vorbei und mäandern durch so einige Schlaglöcher, aber mein Fahrer tut sein Bestes und fährt höchstens 40 km/h. Na ja, ohne Helm vielleicht auch besser so…für mich.

Mit dem Moped zum Vulkan Papandayan.

Mit dem Moped zum Vulkan Papandayan.

Gegen zwölf Uhr mittags sind wir an der Ausgangsstation zur Vulkanbesteigung. Der Papandayan ist ca. 2.600 m hoch und ich merke die Höhe in den Ohren. Als wir von den Ojeks steigen, geht ein kurzer Regenschauer nieder, aber nach wenigen Minuten können wir starten. Umin hat einige Zeit am Vulkan als Guide gearbeitet, er ist ein Local und kennt jeden Tritt. Zuletzt war er allerdings vor einem Monat hier, so dass auch er sich teilweise neu orientieren muss – der Papandayan ist nämlich aktiv. Das heißt, er spuckt Schwefel und kochendes Wasser, und die Oberfläche verändert sich ständig. Außerdem gibt es immer mal wieder Erdrutsche. Schon von Weitem sehen wir die Schwefeldämpfe, und als wir näher an die kleinen Krater kommen, verursacht der Rauch einen ziemlichen Hustenreiz und ein Stechen in den Augen.

Tanz den Papandayan!

Tanz den Papandayan!

Wir sind die einzigen Lebewesen weit und breit, laufen im Zickzack an den kleinen dampfenden Löchern und Hot Springs vorbei, machen Fotos und pausieren an einem Bach, der sich durch die letzte Eruption im Jahr 2002 gebildet hat. Damals wurden der gesamte Parkplatz, einige Hütten und Teile des Dorfes unter den Lava- und Gesteinsmassen begraben. Umin sagt, so verzweifelt wie damals sei die Stimmung im Dorf vorher nie gewesen. Der Vulkan ist unberechenbar. Direkt neben einem der neuen Krater stehend, kann man sich das gut vorstellen – es faucht und zischt, das austretende Wasser brodelt wie ein Whirlpool und der Schwefelgestank ist atem(be)raubend.

Bitte jetzt nicht ausbrechen, lieber Vulkan.

Bitte jetzt nicht ausbrechen, lieber Vulkan.

Meine Trekkingschuhe weihe ich angemessen ein, als ich einen Stein verfehle und im weichen Vulkanuntergrund versinke. Dieser Berg lebt, und er will mich verschlucken!

Vulkan-Beweise: Lava am Schuh

Vulkan-Beweise: Lava am Schuh

Am Nachmittag, nach einem „Kopi“ (Kaffee) auf dem Parkplatz, fahren wir per Ojek zu Umins Familie. Seine Eltern haben ein eigenes Haus und laden mich zum Mittagessen ein. Es gibt „Ayam goreng“, gebratenes Hühnchen, mit Reis und Jackfruit, mit Knoblauch gekocht – seeehr lecker! Wir essen auf einem Tuch auf dem Boden, denn in der Küche gibt es keinen Tisch. Zum Essen gibt es sehr guten Tee und danach Tomaten aus dem Ort. Außerdem Kekse, die ein bisschen aussehen wie unsere Weihnachtsplätzchen und auch so schmecken. Umins Mutter hat sie gebacken.

Im Wohnzimmer: Umin mit seiner Schwester und seinen Eltern.

Im Wohnzimmer: Umin mit seiner Schwester und seinen Eltern.

Nach dem Mittagessen nehmen wir wieder einen Minibus nach Cipanas, den Ort, der für seine heißen Quellen bekannt ist. Ein sehr entspannender Abschluss für diesen Ausflug: Wir baden in einem Thermalpool mit Blick auf die vulkanische Kulisse. Zwei Stunden später sind wir zurück in Bandung und sitzen mit den anderen Hostel-Guys bei Arrak und Mandarinen auf der Terrasse. „We are your holiday-doctors“, meint Assep, und dem kann ich nur zustimmen:  „Selamat mampus“ – frei übersetzt „Prost“. Assep spielt Gitarre, Sandy singt alles von Bob Marley bis Eric Clapton – ich bin in der Backpacker-Hölle angelangt! Und beschließe, tiefenentspannt wie ich bin, morgen noch einen Tag in Bandung zu bleiben, meine dreckige Vulkanwäsche waschen zu lassen, eine  Angklung-Musik-Performance anzuhören und übermorgen weiter nach Pangandaran zu fahren, einem Fischerort im Süden der Insel Java. Die Ameisen in meinem Zimmer sind mir derzeit eigentlich eher egal.

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